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Die Wissenschaft hinter dem Kalorienzählen

By Emily Capodilupo

Bei WHOOP sind wir der Meinung, dass man sich nicht nur während der Zeit, in der man tatsächlich trainiert oder Wettkämpfe bestreitet, als Sportler verstehen sollte, sondern rund um die Uhr. Dazu gehört auch, sich wie ein Sportler zu ernähren.

Um Mitglieder dabei zu unterstützen, sich angemessen und entsprechend ihren Trainingszielen zu ernähren, schätzt WHOOP den täglichen Kalorienverbrauch. Der Algorithmus, auf dem diese Schätzung basiert, wurde vor Kurzem verbessert. Das nehmen wir zum Anlass, ein paar der wissenschaftlichen Grundlagen unseres Ansatzes näher zu beleuchten. Dazu werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen und Grenzen des Kalorienzählens, um zu zeigen, wie dieser Messwert sinnvoll eingesetzt werden kann.

WOHER KOMMEN KALORIEN – UND WOHIN GEHEN SIE?

Kalorien sind eine Maßeinheit für Energie. Unser Körper bezieht seine Energie aus Nahrung und verbraucht sie, damit wir am Leben bleiben, Essen verdauen und aktiv sein können.

AM LEBEN BLEIBEN (GRUNDUMSATZ)

Die Menge der Kalorien, die für die grundlegenden Lebensfunktionen benötigt wird – darunter der Herzschlag, aber auch Blinzeln und Wachstum von Haaren und Nägeln – wird als Grundumsatz bezeichnet. Der individuelle Grundumsatz hängt zu einem großen Teil von Alter und Körpergröße ab. Frauen haben in der Regel einen niedrigeren Grundumsatz als Männer, was vor allem daran liegt, dass sie im Durchschnitt kleiner sind. Männer und Frauen gleicher Größe und mit gleicher Muskelmasse bzw. fettfreier Körpermasse haben demnach einen sehr ähnlichen Grundumsatz. Zwar kann der Grundumsatz durch den Aufbau von Muskelmasse erhöht werden, in den meisten Fällen bleibt dieser Wert aber auch über mehrere Monate hinweg relativ konstant.

ESSEN VERDAUEN (THERMISCHER EFFEKT DER NAHRUNG)

Zur Verdauung benötigt der Körper Kalorien, um Nahrung in verwertbare Bestandteile aufzuspalten. Dieses physiologische Phänomen wird als „thermischer Effekt der Nahrung“ oder Thermogenese bezeichnet und bezieht sich auf die Kalorien, die für die Verdauung, Aufnahme und Entsorgung von Nahrung verbraucht werden. Doch werden für einige Lebensmittel mehr Kalorien benötigt als für andere: Beispielsweise hat ballaststoffreicher Vollkornreis eine höhere thermische Wirkung als ballaststoffarmer weißer Reis. Insgesamt werden etwa 10 % unserer gesamten Kalorienzufuhr für die Verarbeitung von Nahrung aufgewendet. Dieser Anteil variiert je nach Art der Ernährung allerdings erheblich und hängt besonders vom prozentualen Anteil des aufgenommenen Eiweißes ab. So ergab eine Studie, dass 20 bis 35 % der aus Eiweiß gewonnenen Kalorien allein für die Verdauung dieses Eiweißes verbraucht werden.

AKTIV SEIN (KALORIEN VERBRENNEN)

Jedes Maß an Aktivität, das über das reine Überleben hinausgeht, erhöht den Kalorienverbrauch über den Grundumsatz hinaus. Allgemein gilt: Je aktiver man ist, desto mehr Kalorien braucht man für die Ausübung dieser Aktivitäten. Dieser Aspekt erklärt schließlich auch, warum unser Kalorienbedarf von Tag zu Tag stark schwanken kann. Nun lässt sich der Grundumsatz nicht binnen einer aktiven Woche erhöhen, doch schon eine halbe Stunde joggen steigert den Tagesverbrauch um 250 bis 550 Kilokalorien (kcal).

SCHÄTZUNG DES GRUNDUMSATZES

Vor über 100 Jahren entwickelten Arthur Harris und Francis Benedict die sogenannte Harris-Benedict-Formel zur Berechnung des Grundumsatzes anhand von Größe, Gewicht, Alter und biologischem Geschlecht. Diese Formel wurde im Laufe der Jahrzehnte zwar leicht abgeändert, wird aber noch heute verwendet. Allerdings ist es mit ihrer Genauigkeit nicht allzu weit her: Die überarbeitete Harris-Benedict-Formel, die 1984 entwickelt wurde und als genaueste Vorhersage des Grundumsatzes anhand von Größe, Gewicht, Alter und biologischem Geschlecht gilt, hat nach wie vor nur ein 95 %-Konfidenzintervall von ±213 kcal/Tag für Männer und ±201 kcal/Tag für Frauen. Durch unzutreffende biometrische Daten, wie z. B. eine ungenaue Gewichtsangabe, kann sich der Unterschied zwischen geschätztem und tatsächlichem Grundumsatz noch vergrößern. Um eine möglichst präzise Schätzung zu erhalten, müssen Daten wie Größe und Gewicht in der WHOOP App also immer auf dem aktuellen Stand sein. Vom Grundumsatz zu unterscheiden ist der Ruheumsatz: Während man unter dem Grundumsatz den Energiebedarf für die Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Funktionen (z. B. Atmen) versteht, schließt der Ruheumsatz auch den Kalorienverbrauch außerhalb sportlicher Aktivität ein und umfasst daher alle Formen „normaler Aktivität“ (z. B. Frühstück zubereiten). Die meisten Onlinetools zur Berechnung des täglichen Kalorienbedarfs, die Aktivitäten abfragen, ermitteln also den Ruheumsatz und nicht den Grundumsatz. Auch wenn der praktische Unterschied gering ausfällt, zieht WHOOP den Grundumsatz heran und berücksichtigt bei der Berechnung der „aktiven Kalorienverbrennung“ Unterschiede im Kalorienbedarf – der etwa bei jemandem mit einem Schreibtischjob anders ausfällt als bei Krankenhauspersonal in der Notaufnahme, das den ganzen Tag auf den Beinen ist.

SCHÄTZUNG DER AKTIVEN KALORIENVERBRENNUNG

Der Kalorienverbrauch bei körperlicher Betätigung ist weitaus schwieriger zu schätzen als der Grundumsatz; zudem gibt es bisher wenig relevante Forschungsarbeiten in diesem Bereich. Die genaueste Methode zur Berechnung des Kalorienverbrauchs beim Sport ist die sogenannte indirekte Kalorimetrie, bei der der Gasaustausch (Sauerstoff und Kohlendioxid) im Körper gemessen wird. Da hierzu ein Gerät erforderlich ist, das Nase und Mund bedeckt, ist das Verfahren mit Wearables am Handgelenk jedoch nicht umsetzbar. Im Rahmen der Möglichkeiten eines Wearables sind Schätzungen des Kalorienverbrauchs auf Grundlage der Herzfrequenz nachweislich weitaus präziser als solche, die nur den Beschleunigungssensor nutzen, also Bewegung berücksichtigen. Die am häufigsten verwendete Formel zur herzfrequenzbasierten Schätzung des Kalorienverbrauchs während Aktivität wurde 2005 in Südafrika entwickelt. Auf dieser Formel basiert der beste bisher veröffentlichte Algorithmus seiner Art, der allerdings zwei wesentliche Probleme birgt: Zum einen eignet er sich nur für Aktivitäten, die bei 57 %, 77 % und 90 % der maximalen Herzfrequenz ausgeführt werden – und wurde nicht in Bereichen darüber oder darunter getestet –, zum anderen kann er nur 73,4 % der Varianz des tatsächlichen Energieverbrauchs erklären. Folglich könnte ein Training, bei dem schätzungsweise 1000 kcal verbraucht werden, tatsächlich 734 bis 1266 kcal verbrennen – ein gewaltiger Unterschied, vor allem wenn man diese Information eigentlich beim Verändern der Körperzusammensetzung nutzen möchte. Eine Studie aus dem Jahr 2017, an der WHOOP nicht beteiligt war, bestätigte diese Problematik: Sie belegte, dass keines der zum Zeitpunkt der Untersuchung erhältlichen Wearables in der Lage war, den Kalorienverbrauch beim Training innerhalb eines von den Forschern als akzeptabel eingestuften Fehlerrahmens zu schätzen. Bei unserem Algorithmus zur Schätzung des Kalorienverbrauchs während Aktivität haben wir uns die Methoden des südafrikanischen Forscherteams zum Vorbild genommen. Verfeinern konnten wir den Algorithmus durch Daten aus Millionen von Trainingseinheiten in einem breiten Spektrum von Aktivitäten und Intensitäten. Zusätzlich haben wir jüngst den Übergang zwischen Ruhe- und Trainingsmodus im Algorithmus optimiert. Hierdurch wird die Dynamik von Trainings mit der niedrigsten Intensität besser abgebildet und die Formeln für Kalorienverbrennung während Aktivität und Grundumsatz werden besser integriert. Diese Überarbeitung wirkt sich in erster Linie auf Zeiträume aus, in denen die Herzfrequenz zwischen 30 % und 40 % der Herzfrequenz-Reserve liegt. Das ist der Bereich zwischen Ruheherzfrequenz (0 %) und maximaler Herzfrequenz (100 %), der über dem Niveau von Ruhezustand bzw. Ruheaktivitäten, aber unter dem Niveau liegt, bei dem Menschen normalerweise trainieren. Auf Herzfrequenzen unter 30 % der Herzfrequenz-Reserve hat dies keine und auf Trainings mit hoher Intensität nur minimale Auswirkungen.

SCHÄTZUNG DES KALORIENVERBRAUCHS

Werden mehr oder weniger Kalorien aufgenommen als verbraucht, nimmt die Körpermasse zu respektive ab (entweder in Form von Muskeln oder Fett); liegen Kalorienzufuhr und ‑verbrauch gleichauf, bleibt auch das Gewicht gleich. Wegen dieser scheinbar simplen Zusammenhänge tracken viele Sportler, die ihr Gewicht halten, erhöhen oder verringern wollen, ihren täglichen Kalorienverbrauch. Allerdings sind die Kalorienangaben auf Lebensmitteln tatsächlich ziemlich ungenau. So handelt es sich bei den Angaben auf Lebensmitteletiketten generell um Durchschnittswerte, die zudem nur bis auf 20 % genau sein müssen. Studien zeigen ferner, dass der Kaloriengehalt oftmals eher zu niedrig als zu hoch angegeben wird. Die größten Ungenauigkeiten zeigen sich bei den Kalorienangaben auf Speisekarten, da sich schon kleine Veränderungen bei Zubereitungsarten und Zutaten auf die Kalorienzahl auswirken. Die nicht sonderlich strenge 20-%-Fehlertoleranz ist aber auch deshalb notwendig, weil beispielsweise Vollwertkost natürliche Schwankungen in der Kaloriendichte aufweist. Faktoren wie Wetter, Bodenqualität und Gesundheitszustand einer Pflanze sowie der Reifegrad bestimmen maßgeblich, wie nährstoff- und kalorienreich die Lebensmittel schlussendlich sind. Somit überrascht es nicht, dass natürliche Lebensmittel wie Salat in der Regel stärker vom angegebenen Kaloriengehalt abweichen als verarbeitete Lebensmittel wie etwa Schokoriegel, bei denen präzise Nährwertangaben gemacht werden können. In der Praxis hat das zur Folge, dass wir unsere tatsächliche Kalorienzufuhr unmöglich mit einer Fehlertoleranz von weniger als 20 % berechnen können, selbst wenn wir jedes Gramm unserer Nahrung genau abwiegen. 2.000 vermeintlich aufgenommene Kilokalorien könnten also genauso gut 2.400 sein – ein Fehlerbalken von der Größe eines Doppel-Cheeseburgers von McDonald's.

WAS BEDEUTET DAS NUN KONKRET?

Unabhängig davon, was Kalorien-Tracker versprechen, müssen Schätzungen des Kalorienverbrauchs als genau das verstanden werden: Schätzungen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht nützlich sind. Auf der Herzfrequenz basierende Schätzungen des Kalorienverbrauchs, wie WHOOP sie bietet, skalieren zuverlässig mit dem tatsächlichen Kalorienverbrauch. Mithilfe der angezeigten Trends lassen sich Zeiträume hohen und niedrigen Kalorienverbrauchs also ziemlich genau festmachen. So können die Daten durchaus dazu genutzt werden, die Kalorienaufnahme je nach Ziel tagesaktuell mit dem Verbrauch abzustimmen. Schließlich ist es wichtig, die natürlichen Grenzen des Kalorienzählens zu kennen, die selbst die sorgfältigste Aufzeichnung nicht überwinden kann:

  • Nährwertangaben sind immer Anhaltswerte, keine Garantien. Sie dürfen sogar um bis zu 20 % abweichen und die Einhaltung dieser laxen Norm wird auch nur selten überprüft.
  • Kalorienangaben bei Gerichten in Restaurants sind mit Vorsicht zu genießen, da sie statistisch gesehen oft zu gering angesetzt werden.
  • Die Richtlinien für die Schätzung des Kaloriengehalts von Obst, Gemüse und Vollwertkost sind häufig veraltet und spiegeln nicht unbedingt Änderungen der tatsächlichen Nährwertgehalte wider, die durch industrielle Landwirtschaft und moderne Anbaumethoden entstehen.
  • Die Art und Weise, wie Lebensmittel zubereitet werden, kann ihre Kaloriendichte verändern. Eine Studie hat beispielsweise ergeben, dass wir durch gekochtes Fleisch mehr Kalorien aufnehmen als durch rohes.
  • Schwierig (wenn nicht gar unmöglich) zu messende Faktoren wie die Zusammensetzung des Mikrobioms – also des individuellen Ökosystems der Bakterien im Verdauungstrakt – beeinflussen den Anteil der Kalorien, die wir aus der Nahrung tatsächlich aufnehmen.

Ein ausführlicher Überblick über die Probleme beim genauen Zählen von Kalorien findet sich in einem Artikel des Scientific American aus dem Jahr 2013 (auf Englisch). Aufgrund dieser komplexen Sachlage muss die Empfehlung daher lauten, am besten immer achtsam zu essen, d. h., auf die Portionsgrößen und das persönliche Sättigungsgefühl zu achten.